Ecstacy



Geschichte und Verbreitung

Im engeren Sinn bezeichnet der Strassenname Ecstasy (=XTC, Adam, E, Empathy, Love Doves, Dennis the Menace) heute ein 1914 von der Firma E. Merck ursprünglich als Appetitzügler synthetisiertes, zur Klasse der Phenyläthylamine gehörendes Amphetamin-Derivat mit dem chemischen Namen 3,4-Methylendioxymethamphetamin (kurz MDMA). Die vollsynthetisch produzierte Substanz MDMA wurde anfänglich aus der Muskatnuss und der Petersilie hergestellt. Wegen seines psychotropen Wirkungsspektrums liess sich MDMA nicht wie geplant vermarkten und blieb für die nächsten Jahrzehnte weitgehend unbeachtet. In den 50er Jahren weckte der Wirkstoff als vermeintliche "Wahrheitsdroge" für kurze Zeit das Interesse des US-amerikanischen Militärs, zu einer eigentlichen (Wieder-)Entdeckung kam es jedoch erst in den späten 60er Jahren, als eine Gruppe amerikanischer Naturwissenschaftler MDMA im Selbstversuch näher erforschte und dessen spezielle psychische Wirkungen detaillierter dokumentierte. Dies erregte die Aufmerksamkeit einiger Psychotherapeuten, die nun MDMA als unterstützende Medikation in psycholytische Behandlungskonzepte integrierten und damit einen günstigen Einfluss auf bestimmte Patientengruppen verzeichnen konnten. Als Strassendroge tauchte MDMA erstmals Ende der 60er Jahre in San Francisco (flower power) auf und verbreitete sich in den 80er Jahren von Amerika über England nach Europa. Anfänglich wurden unter dem Namen "Ecstasy" auch Drogen wie PCP (Angeldust) und DOM verkauft. 1987 ergab eine Untersuchung, dass ca. 40 % der Studenten einer amerikanischen Universität Erfahrungen mit der Droge MDMA hatten. Das Ausmass des Konsums in der Schweiz kann derzeit nur geschätzt werden. So sollen im Raum Zürich an einem Wochenende 5'000 bis 7'000 Pillen (vermutlich mehr) geschluckt werden und die Zahl der regelmässigen Konsumenten in der ganzen Schweiz soll sich auf 10'000 belaufen. An manchen Techno-Parties sollen bis zu einem Drittel der Besucher Ecstasy schlucken. Zu der ersten einschneidenden Massnahme im Umgang mit MDMA kam es 1985 in den USA: Aufgrund von sich häufenden Berichten über die im Tierversuch nachgewiesene hirnschädigende Langzeitwirkung von MDMA wurde die Substanz rigoros der ersten Kategorie (Schedule 1: "Stoffe ohne medizinischen Wert und mit hohem Missbrauchspotential") des amerikanischen Betäubungsmittelgesetzes unterstellt. 1986 zog die Schweiz nach. Als einzige Ausnahme vom weltweiten Verbot bezüglich Herstellung, Besitz, Konsum und Verbreitung von MDMA war es bis 1993 noch einer kleinen Anzahl von Psychotherapeuten, namentlich Mitgliedern der "Schweizerischen Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie", erlaubt, die Substanz versuchsweise therapeutisch einzusetzen.

Heutige Herkunft

Europaweit bestehen neben einer kleinen lokalen Produktion v. a. Hinweise auf grössere, professionelle Produktions- und Verteilstätten von Ecstasy und anderen Designer-Drogen in Staaten des ehemaligen Ostblockes sowie insbesondere in den Niederlanden.

Wirkungsspektrum

MDMA wird als Tablette, Kapsel oder seltener auch als Flüssigkeit (Tee, Bouillon) eingenommen. Die pharmakologisch wirksame Dosis liegt bei 100 - 150 mg, was in der Regel dem Wirkstoffgehalt einer Tablette entspricht. Die Wirkdauer beträgt etwa 3 - 6 Stunden. 30 - 60 Minuten nach der Einnahme treten zunächst sympathomimetische Effekte wie Tachykardie, Blutdrucksteigerung, extreme Pupillenerweiterung, Mundtrockenheit, Muskelkrämpfe (besonders im Kieferbereich: Trismus), Augenzittern, Lidflattern, Fingerzittern, Schwitzen, Unruhe, Angst, gesteigerte Reflexe und Gehstörungen auf. Insbesondere bei höheren Dosierungen werden auch Verwirrtheitszustände, Sprach- und Konzentrationsstörungen beschrieben. Übelkeit und Erbrechen sind häufig. Im weiteren Verlauf steht das erwünschte psychische Wirkungsspektrum im Vordergrund. MDMA ist ein Vertreter der sog. Entaktogene, d. h. "innere Berührung hervorbringender" Substanzen. Neben einem allgemein anregenden und geringfügig auch halluzinogenen Effekt (ähnlich zu Meskalin) bewirkt es vor allem eine Bewusstseinserweiterung, innere Ruhe und Entspannung, emotionale Enthemmung und ein gesteigertes Selbstwertgefühl. Die Kommunikationsfähigkeit soll nach regelmässiger Angabe der Konsumenten verbessert sein, ebenso soll es zu einer Zunahme der Introspektionsfähigkeit und des Wahrnehmungsvermögens kommen. Die Wirkungsweise bzw. die Intensität der Effekte ist dabei vom "setting", d. h. von der Umgebungssituation beim Konsum, vom Zustand des Konsumenten sowie von seiner Stimmung, seiner Erwartungshaltung usw. abhängig. Häufiger Konsum von MDMA führt zur Toleranzbildung, d. h., die erwünschten Wirkungen treten nur noch reduziert auf oder werden nur noch reduziert wahrgenommen. Nach dem Abklingen der akuten Effekte sind Nachwirkungen in Form von Müdigkeit, Erschöpfung, Motivationslosigkeit, Konzentrationsschwäche und depressiven Verstimmungen bekannt. Wir kennen aus unserer verkehrsmedizinischen Tätigkeit bisher einen Ecstasy-Konsumenten, der sich selbst als süchtig bezeichnet, d. h., die Droge regelmässig auch unter der Woche zu Hause alleine, ohne entsprechende Party und aus innerem Drang einnehmen muss.

Gefahren

MDMA greift in die Regulations- und Schutzmechanismen des Körpers ein, indem es einerseits eine - unter Umständen extreme - Körpertemperaturerhöhung durch Ausschüttung und Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin in den Temperaturregelzentren des Gehirnes sowie durch eine Modulation der Dopaminausschüttung begünstigt und andererseits das Durst- und Hungergefühl sowie das körperliche Ruhebedürfnis und das Schmerzempfinden unterdrückt. In Kombination mit anlässlich sog. "Raves" häufig stattfindenden Tanzexzessen, also körperlichen Dauerbelastungen, besteht akut die Gefahr der Überwärmung (Hyperthermie) und Austrocknung (Dehydratation) des Organismus. Die Folge davon können Herz-/Kreislaufstörungen, Schock- und Krampfzustände sowie Gerinnungsstörungen, Rhabdomyolysen, Nierenversagen und unterschiedlich stark ausgeprägte Lebernekrosen sein. Allerdings könnte beim Auftreten der genannten gesundheitlichen Störungen der Herz- und Kreislaufaktivität auch der extremen, "markerschütternden" Musik mit ihren ausgeprägten Rhythmen und Vibrationen eine nicht unbedeutende Rolle zukommen, möglicherweise auch ohne zusätzliche Ecstasy-Einnahme. Lediglich im Rahmen psycholytischer Therapien eingesetztes Ecstasy soll nämlich nicht zu solchen Störungen führen. Im Gegensatz dazu beschreiben andere Literaturquellen allerdings das Auftreten von Arrhythmien und Asystolien unter Ecstasy. Bei bestimmten vorbestehenden Krankheiten wie Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Epilepsie, Asthma, psychotischen Vorerkrankungen und Leberfunktionsstörungen kann MDMA zu einer Entgleisung führen bzw. einen Schub auslösen. In diesen Bereich gehören auch die intrakraniellen Blutungen als mutmassliche Folge einer akuten hypertensiven Krise (Fälle aus der Literatur und ein bereits 1993 beobachteter eigener Fall). In der Szene gehandelte "Ecstasy"-Tabletten bzw. -Kapseln werden von "Untergrundchemikern" hergestellt. Die bunten Tabletten in allen erdenklichen Formen und Farben sind häufig professionell hergestellt und tragen Prägungen von Symbolen, die ihnen weitere Szenenamen geben (Delphin, Gorbi, Mercedes etc.). Aus kriminaltechnischen Untersuchungen ist bekannt, dass diese Konfektionsformen neben den üblichen Füllstoffen bei weitem nicht nur MDMA enthalten, sondern zu einem grossen Teil mit anderen betäubungsmittelrechtlich irrelevanten, jedoch pharmakologisch aktiven Substanzen, wie z. B. Coffein, Ephedrin, Lidocain usw. verschnitten sind oder sogar - z. T. ausschliesslich - auch andere Drogenwirkstoffe wie Amphetamin (=Speed; in der Schweiz in mehreren sog. "Ecstasy"-Kapseln als praktisch ausschliesslich relevanter Wirkstoff nachgewiesen!), LSD oder dem MDMA verwandte Substanzen wie MDA, MDEA, MBDB, BDB enthalten. Daraus ergibt sich, dass die Konsumenten unter dem Namen "Ecstasy" Tabletten oder Kapseln völlig unterschiedlicher und zumeist unbekannter Zusammensetzung konsumieren, wobei sich "Ecstasy" in Kapselform technisch besonders leicht "strecken" lässt. Kapseln, deren crème-farbene oder farbigen Hüllen häufig von entleerten, im Handel erhältlichen Medikamenten stammen, sind somit speziell gefährlich. Als Gefahr im weiteren Sinne hat auch das Lenken eines Motorfahrzeuges unter dem Einfluss von Ecstasy zu gelten, wie sich unschwer aus dem Wirkungsspektrum der Droge ableiten lässt (z. B. Blendung bei weiter, lichtträger Pupille, Leistungszusammenbruch beim Nachlassen der Drogenwirkung etc.). Mehrere Verkehrsunfälle, auch tödliche, im Zusammenhang mit Ecstasy sind beschrieben. Ein weiteres Problem stellt der kombinierte Drogenkonsum dar. Umfragen zufolge konsumieren 94% der Ecstasy-"User" auch noch andere illegale Substanzen wie Cannabis, Kokain, LSD, Amphetamin und Heroin. Bei diesen "Polyusern" potenzieren sich die gesundheitsgefährdenden Auswirkungen in im Einzelfall nicht voraussehbarem Masse. Zudem können sich durch Mischbilder unterschiedlicher klinischer Drogenwirkungen und verwirrender Resultate von Drogenschnelltesten aus dem Urin erhebliche diagnostische Schwierigkeiten ergeben, die eine effiziente Therapie bedeutend erschweren.

Vergiftung

Als Leitsymptome einer akuten MDMA-Vergiftung können im wesentlichen die nachfolgend aufgeführten Befunde auftreten. Wichtig: Nach bisheriger Erkenntnis muss davon ausgegangen werden, dass bereits die Einnahme lediglich einer bis zwei, MDMA in üblicher Menge enthaltender Tabletten Ecstasy fatal verlaufen kann. In einem von uns untersuchten Fall trat der Tod innert kürzester Zeit nach Einnahme von einer bis zwei Tabletten ein. Die betroffene Person beteiligte sich zudem nur kurzzeitig an der Tanzparty, körperliche Überanstrengung mit dadurch bedingter Überwärmung und Flüssigkeitsverlust sind als Todesursache somit ausgeschlossen.

Leitsymptome


Als sehr guter Indikator einer akuten MDMA-Wirkung zeichnet sich beim Nicht-Bewusstlosen die extreme, starre bzw. sehr lichtträge Pupillenerweiterung (Mydriasis) ab, die jedoch nicht substanzspezifisch ist, sondern auch bei Amphetamin, anderen Amphetamin-Derivaten, Kokain und weniger extrem z. T. auch bei Cannabis und anderen Substanzen auftritt. Da es an Techno-Parties sehr häufig dunkel ist, genügen lediglich erweiterte, auf einen Lichtreiz prompt reagierende Pupillen selbstverständlich zur Diagnosestellung nicht. Eine Selbstverständlichkeit beim reanimationsbedürftigen Bewusstlosen sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen: Wie zu Beginn der Reanimation auch in deren Verlaufe unverändert weit und lichtstarr bleibende (nicht werdende) Pupillen dürfen nie als Ausdruck der Erfolglosigkeit der Reanimation angesehen werden, da die pharmakologische Wirkung pupillenerweiternder Substanzen auch während der Wiederbelebungsmassnahmen anhält! Auf eine spezielle Gefahr wird v. a. in der angelsächsischen Literatur hingewiesen. Es soll in Grossbritannien verschiedentlich zu z. T. fatalen Wasserintoxikationen gekommen sein, da einzelne Raver innert weniger Stunden literweise (bis zu 14 Liter) Wasser zu sich genommen hätten. Als Folge davon seien schwere Hyponatriämien und Hirnödeme aufgetreten. Die SFA empfiehlt daher, ca. 1/2 Liter Flüssigkeit pro Stunde zu trinken. Um den Salzverlust auszugleichen, sollte die Flüssigkeit entweder salzhaltig sein, oder es empfiehlt sich die zusätzliche Einnahme von Salznüsschen oder dergl.

Nach oben